Haspel (Heraldik)
Haspel (auch Winde [Garnwinde] oder Weise genannt; frz.: dévidoir; engl.: spinner's weasel, (clock) reel oder ähnliches) ist in der Heraldik ein unscharfer beziehungsweise allgemeiner Ausdruck für verschiedene gemeine Figuren. Diese sind hauptsächlich folgenden Objekten nachempfunden:
Art | Im Kontext von.. | Beschreibung | Zum Beispiel.. |
---|---|---|---|
Haspel, Weifen, technische Hilfsmittel![]() |
Textilhandwerk | .. zum Auf- und Abwickeln von langgestreckten Materialien wie Garnen, Seilen, Drähten und Bändern | Drehhaspel, Uhrenhaspel, Klopfhaspel, Klickhaspel, Schneller, Garnhaspel, Garnwinden, Kreuzhaspel, Rollenhaspel |
Haspel, Zug-, Hebenwinden![]() |
Berg- und Brunnenbau | .. zum Heben und Bewegen von Lasten mittels Zug- und Förderseilen, gewöhnlich mit horizontaler Walze (im Gegensatz zu Winden oder „Gopeln/Göpeln“ mit senkrechter Walze) | Horn- oder Berghaspel, (Schwung)Radhaspel, Spindelrad, Spillrad, Laufradhaspel, Tretradhaspel, Wasserradhaspel, Schlepperhaspel, Förderhaspel, Kreuzhaspel, Vorgelegehaspel |
Um Verwechslungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, auf den mehrdeutigen Ausdruck Haspel in der Wappenbeschreibung grundsätzlich zu verzichten. Statt dessen sollte man das entsprechende Wappenmotiv mit einem wohldefinierten und konsistenten Ausdruck umschreiben und im Zweifelsfalle einzelne Bauteile (Haspelradkranz, Haspelstützen, Haspelgerüst et cetera) und deren Tinktur benennen.
Die Farbgebung von Haspeln folgt den heraldischen Regeln, wobei sich eine Haspel im Wappen naturgemäß von der Feld-/Schildfarbe abheben sollte und bei ihren Bauteilen kleinere Verstöße gegen die heraldische Farbregeln (zum Beispiel Farbe an Farbe, Metall an Metall) geduldet sind, wenn sie zweifelsfrei beschrieben sind.
Haspel (Figuren aus dem Textilhandwerk)
Kreuzhaspel
Die gemeine Figur Kreuzhaspel (auch Nicker genannt; engl.: niddy noddy) ist dem gleichnamigen Handgerät zum Auf-/Abwickeln von Garnen nachempfunden. Sie erscheint gewöhnlich als senkrechtes Rundholz, dessen Mitte als Handgriff dient. Ist am unteren Ende des Rundholzes ein Griff vorhanden, der als Ersatz für den mittigen Handgriff dient, sollte dieser gemeldet werden. An den Enden des Rundholzes sind Querholme angebracht, die kreuzförmig übereinander stehen. Der Faden wird beim physischen Gegenstand händisch kreuzweise über die Querholme gewickelt, „wobei die Kreuzhaspel eine schwankende („nickende“) Bewegung ausführt“[1]. Im Wappen wird der aufgewickelte Faden, der anders als der Rest der Wappenfigur tingiert sein kann, meist schragenförmig dargestellt.
Die nicht-mechanische, vergleichsweise einfach konstruierte Kreuzhaspel ist historisch vermutlich älterern Urspungs als die im Aufbau komplexere Drehhaspel.
Drehhaspel
Die gemeine Figur Drehhaspel (engl.: spinner's weasel oder clock reel) ist dem gleichnamigen Handgerät zum Auf-/Abwickeln von Garnen nachempfunden. Die Figur erscheint gewöhnlich mit einem Haspelradkranz mit sechs Armen („Speichen“) und einem im Sechseck aufgewickelten Faden. Beträgt die Anzahl der Arme vier, fünf, sieben oder mehr und ist der Faden entsprechend im Vier-, Fünf-, Sieben oder Mehreck aufgewickelt, so ist dies zu melden. Im Normalfall erscheint das Wappenmotiv auf einem Haspelgestell/-fuß „frei stehend“. Je nach Aufriß erscheint die Figur mit einer mehr oder minder komplexen heraldisch stilisierten Hilfseinrichtung (beispielsweise mit einem Drehknauf, eine Kurbel, die in der Nähe der Achse angebracht ist, einem Zählwerk oder ähnliches). Wird die Drehhaspel davon abweichend im Wappen dargestellt, zum Beispiel angeschraubt an einen Tisch oder nur als Haspelradkranz (siehe weiter unten), so ist dies melden.
Drei sechsarmige Haspelradkränze von Drehhaspeln mit aufgewickeltem roten Faden („Garnräder“)[2]
Garnwinde („Haspel“)
Die gemeine Figur Garnwinde wird teilweise und mißverständlich als Haspel beschrieben, weil sie diesem Wappenmotiv auf den ersten Blick sehr ähnelt. Grundsätzlich unterscheidet sich die Figur Garnwinde aber durch folgende Merkmale von einer Haspel: Sie erscheint im Wappen immer ohne Vorrichtung für die Hand zum Drehen und ohne Zählwerk. In der Regel wird sie mit pyramidenförmig angeordneten „Bügeln“ dargestellt, die fest um eine drehbare Mittelachse montiert sind. Andere Formen der Garnwinde (zum Beispiel Rollenhaspel, Schirmhaspel et cetera) sollten gemeldet werden.
Haspelradkranz
Die gemeine Figur Haspelradkranz ist gewöhnlich dem gleichnamigen Bauteil einer Drehhaspel (siehe oben) nachempfunden. Sie erscheint in der Regel ohne Faden und mit sechs Armen („Speichen“). Eine andere Anzahl der Speichen oder ein aufgewickelter Faden sollte in der Wappenbeschreibung erwähnt sein.
In der Realität sind ähnliche Radkränze Bauteile von anderen Objekten. Beispielsweise waren bei der Kerzenherstellung Räder mit ensprechenden „Wachsradkränzen“ im Gebrauch (vgl. nebenstehende Abbildung). In der heraldisch-stilisierten Darstellung ist eine „Haspelradkranzfigur“ von einer „Wachs-“ oder anderen Radkranzfiguren im Grunde nicht zu unterscheiden. Im Zweifelsfall ist die Haspelradkranzfigur als Wappenmotiv nur durch umfangreiche Forschungen oder durch die Angaben der Wappenführenden zu verifizieren oder zu falsifizieren, teilweise wird offen bleiben, wie, wann, warum und welche Radkranzfigur genau im jeweiligen Wappen erscheint.
Haspelradkranz
(Holdorf)
Sechseck belegt mit Haspelradkranz
(Wibbecke)
Haspelradkranz
(Amt Jöllenbeck)
Weise/Weyse

„Weyse (Tafel XXIX Figur 12.): Diese Figur ist nicht, wie vielfach angenommen wird, eine Säule (..), sondern eine sogenannte „Weyse“, das heißt ein Instrument, was noch jetzt auf dem Lande vielfach gebräuchlich ist, um den gesponnen Flachs vom Spinnrad) abzuwickeln. Auch die Figur im Wappen der alten Berliner Patrizierfamilie von Blankenfels will uns als eine solche Weyse erscheinen: obwohl sie bisher immer als „Pferdegebiss“ angesprochen wurde.“
Unklares Wappenmotiv: Eine stehende rote Trense -- für Maximilian Gritzner jedoch eine rote Weyse („Kreuzhaspel“).
Haspel (Figuren aus dem Berg- und Brunnenbau)
Viele Winden, die nach dem Prinzip von Wellrädern (engl.: wheel and axle) funktionieren und im Berg- und Brunnenbau eingesetzt werden (engl.: mining winches), werden als „Haspeln“ bezeichnet. Diese sind in der Heraldik ebenfalls gemeine Figuren, erscheinen aber zumeist als Bestandteil einer anderen gemeinen Figur ohne besondere Erwähnung (zum Beispiel als Teil von einem Kran, von einem Brunnen et cetera). Wenn diese Motive als eigenständige Figuren erscheinen oder farblich hervorgehoben sind, sollten sie nicht unter der Verwendung des ungenauen Ausdrucks „Haspel“, sondern mit eindeutigen Bezeichnungen blasoniert werden (zum Beispiel: Horn-/Berghaspel, Schwungradhaspel, Vorgelegehaspel).
Oben: Zweigeteiltes Rad, nach oben halbes Schwungrad einer Schwungradhaspel (Luckenbach)[5]
Brunnenwinde („Haspel“)
Vielfach erscheint die gemeine Figur Brunnen mit einer Winde, die in Wappenbeschreibungen teilweise als „Haspel“ bezeichnet wird.
(Käshofen)) [6]
Abgrenzung
Radmotiv „Haspel“
In der Heraldik gelten teilweise einfache Rad-Figuren als Bauteil einer Haspel oder werden als Haspel, Garnhaspel, Haspelrad oder ähnliches beschrieben. Insbesondere bei historischen Wappen ist teilweise nicht zweifelsfrei geklärt, ob diese Figuren tatsächlich Haspel-Bauteile zeigen und wenn ja, zu welcher Bauart einer Haspel diese gehören.
Beispielsweise erscheint im Wappen am Haus des Bremer Textilindustrieellen Ludwig Knoop ein Rad mit acht über die Felge reichenden Speichen. Die heraldische Darstellung an sich erlaubt wenig Rückschlüsse darauf, ob die Figur beispielsweise das Schwungrad einer Winde aus dem Berg-/Brunnenbau („Schwungradhaspel“), ein Zahnrad aus dem Zählwerk eine Drehhaspel -- oder ein Bauteil einer ganz anderen Maschine oder Gebäudes (etwa einer Mühle) zeigt. Die vielen Interpretationsmöglichkeiten sind unter anderem durch das Prinzip des Wellrades bedingt, das in zahlosen Maschinen als Grundelement angewendet wird. Erst eine aufschlußreiche Beschreibung wie Garnhaspelrad oder der Kontext („Wappen eines Textilindustrieellen“) respektive ähnliche Metainformationen können Hinweise geben, ob und welches Haspelbauteil im Wappen gezeigt wird.
Wo genaue Bezeichnungen in Wappenbeschreibungen oder anderen Quellen fehlen, sollte die Identifizierung eines Rad-Motivs als Haspelbauteil offen bleiben. Bei Wappenneustiftungen empfiehlt es sich, im Blason die genaue Form und Art der Rad-Figur sowie seine Bedeutung als Haspelbauteil zu erwähnen, wenn diese Symbolik für den Stifter relevant ist.
Krückenspeichenrad, bei Walter Leonhard mißverständlich „Haspel“ genannt[7]
Lilien-/Glevenhaspel
Der Ausdruck Lilien-/Glevenhaspel besitzt zwar das Morphem „-haspel“, diese Figur ist aber keine Haspel, sondern eine gemeine Figur, die sich aus einer vorheraldischen Schildverstärkung entwickelte. Grundsätzlich ist diese gemeine Figur von jeder der oben genannten Haspel-Figuren zu unterscheiden.
- Keine Haspel
Symbolik
Außerhalb der Heraldik steht die Haspel unter anderem als Kennzeichen für das Textilhandwerk, den Berg- und Brunnenbau oder die Erwerbstätigkeit der Leineweber. Im 17./18. Jahrhundert unterlagen Haspeln des Textilhandwerks strengen lokalen Verordnungen, die durch durch Eichung nachgewiesen werden mußten und mit der Siegelung mit dem entsprechendem Wappen oder Zeichen des Eichortes bekräftigt wurden.[8]
Wappenbilderordnung
- Die Haspel wurde zusammen mit dem Ausdruck Winde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Erzeugnisse von Menschenhand: Handwerksgerät unter der Nr. 9371 aufgenommen.
Weblinks

- In der Wikipedia: Haspel
, Haspel (Bergbau)
, Garnwinde
, Wellräder
Einzelnachweise
- ↑ Seite „Haspel“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. August 2013, 07:58 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Haspel&oldid=121448445 (Abgerufen: 13. September 2013, 00:01 UTC)
- ↑ Wappenbeschreibung: „In Gold eine blaue Wellendeichsel zwischen drei roten Garnrädern mit schwarzen Speichen (1:2)“
- ↑ Wappenbeschreibung: „Geviert von Rot mit einer silbernen Haspel sowie einer goldenen Ähre und Silber mit einer golden besamten blauen Flachsblüte sowie einer grünen Eichel“
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889.
- ↑ Wappenbeschreibung: „Durch silbernen, schräg liegenden Wellenbalken geteilt, oben in Rot, zweigeteiltes Rad, als halbe Haspel nach oben und halben Mahlstein nach unten weisend. Unten in Blau in Halbkreisform angeordnet links oben anfangend: Ein silberner Würfel, ein silbernes Fünfeck und ein 2. silberner Würfel.“
- ↑ Wappenbeschreibung: „Unter goldenem erweitertem schrägen Schildhaupt, darin je drei grüne Eichenblätter und grüne Eicheln, in Schwarz ein goldener Ziehbrunnen mit Haspel und Schwungrad.“
- ↑ Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Lizenzausgabe. Bechtermünz, Augsburg 2001, ISBN 3-8289-0768-7. S. 266. Bild 17.
- ↑ Christian H. Ebhardt: Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover: Zeitraum von 1813 bis 1839. Sechste Abteilung. Polizei-Sachen. Band 7, Jänecke, Hannover 1840, S. 997.