Gemse (Wappentier)
Das Wappentier Gemse (nach der dt. Rechtschreibereform Gämse; auch Gemß, Gams, Gamsbock, Gamswild oder ähnlich genannt; französisch chamois; englisch chamois) ist in der Heraldik eine gemeine Figur.
Darstellung


Im Wappenschild erscheint die Gemse bevorzugt auf der Lauer stehend (mit allen vier Füßen keilförmig zusammengestellt) oder springend, auch aufgerichtet. Fast immer steht sie im Wappen auf einem Dreiberg oder einem heraldischen Gebirgsuntergrund. Meist ist sie schwarz tingiert, kommt aber auch in allen anderen heraldischen Farben vor. Von vergleichbaren Wappentieren (Steinbock, Ziegenbock und so weiter) unterscheidet sie sich vor allem durch ihre Hörner („Krucken“), die drehrund, an der Wurzel kreisförmig eingekerbt, lang, gerade aufsteigend und an der Spitze rückwärts gebogen sind. Außerdem besitzt die heraldische Gemse verhältnismäßig lange, kräftige Beine mit relativ großen Hufen. Hauptblickrichtung des Wappentiers ist heraldisch rechts.
„Gemsbock (Tafel XVII. Figur 2.): erscheint meist auf Felsen stehend. (..)“
(Wappen von Gams SG
)
(Wappen von Bad Ischl
)
(Sexten
)
Gemse im Wappen von Diersburg[2]
Schreitende Gämse (Götzis
)
Steigende Gämse (Kitzbühel
)
Gemse als redende Wappenfigur
Im Wappenwesen kann eine Gemsfigur als redender Hinweis auf einen Familiennamen fungieren. Das Wappen der Geizkofler zeigt beispielsweise eine „Geiß/Geisz“ (= weibliche Gemse) für den Namensbestandteil
„Geiz-“/„Geitz-/Geiss-“
und einen „Kofel“ (mittelhochdeutsch für Bergspitze, Berg, Fels, Felsen) für den Namensbestandteil „-kofler“
(Johann Siebmacher blasonierte das Wappen dementsprechend mit: „eine Gemß (..) an seiner farb auff einem steinfarbenen felsen“)[siebmacher 2].
- Gemse im redenden Wappen Geizkofler
Stammwappen (nach kaiserlichem Wappenbrief 1518; Aufriss von Fischnaler
)
Wappen vereint mit dem der Kugler von Hohenfirnberg (nach Siebmacher, 1605)
(nach Alberti, Wappenbuch, Heft 4, 1892)
Oberhalbe Gemse
Die Figur Gemse ist als Halbfigur (auch als „wachsend“ oder als „oberhalb“ beschrieben) gebräuchlich, vermutlich weil die obere Hälfte eines Gemsbocks mit zum Sprung gestellten Vorderbeinen betont kriegerisch wirkt.
Gemsenrumpf, Gemsenkopf
Gemsenkopf, Gamskopf und Gemsenrumpf (das ist eine „gestümmelter“ Gemsenfigur, also nur Hals und Kopf, ohne Vorderbeine) sind gebräuchliche Ausdrücke für Wappenfiguren. Gewöhnlich wird im Wappenwesen weder in der Darstellung noch in der Wappenbeschreibung zwischen einem Halstück (Gemsenskopf mit langem Hals bzw. Eberrumpf) und einem Kopfbild (nur Gamskopf, ohne Halsansatz) differenziert. Die genaue Darstellung erfolgt im Rahmen der Gesamtharmonie eines Wappens/Wappeaufrisses und obliegt letzlich der künstlerischen Freiheit.
„(..) Ein Gemsenrumpf erscheint u(nseres) W(issens) nur im Wappen derer von Biarowsky (Bayern).“
oben ein Gemsenkopf (Kreuth
)
Gemsgehörn
Gemsgehörn | |

Die langezogenen, gerade aufsteigenden und an der Spitze rückwärts gebogenen Hörner der Gemse (auch Gemskrücken, kurz Krucken, Krickel oder ähnlich genannt) werden in Ein- oder Zweizahl als Figuren in Wappen geführt, seltener oder gar nicht in Mehrzahl. Sind zwei Gemsenhörner durch eine Hirnschale verbunden, so ist dies zu melden („Gemsgehörn“ bzw. „ein Paar Gemsenhörner mit Grind“ sowie gegebenenfalls „mit Ohren“).
„(..) Ein Gemsgehörn weidmännisch: „Gemsgewicht", kommt aber, ausser im Wappen der Grafen Morawitzki, von Lichtenberg (Sachsen) von Oheimb (Hessen) und Freiherrn von Rheinbaben kaum vor (..)“
1742, Feld 2 und 3: Gemsgehörn (Wappen Morawitzky
)
Gemshorn
Das untere Ende einer Gemsenhornfigur wird in der Regel nicht ausgerissen oder prätentiös ausgestaltet, sondern erscheint glatt „abgeschnitten“.
Hinten ein mit der Spitze nach links eingebogenes Gemshorn (Rappin
)
Gemse versus Bock/Steinbock
Maximilian Gritzner veranschaulicht anhand des Wappens derer von Kamecke, dass eine eindeutige Differenzierung zwischen einer Gems- und einer Steinbockfigur in der Praxis nicht immer zum Tragen kommt.
„(..) Dass die von Kamecke und Andere ihren ehrlichen Bocksrumpf zeitweis als einen »Gemsrumpf« ansahen, lag wohl mehr in der nunmehr glücklich abgestreiften unerwiesenen Tradition von der Abstammung des Geschlechts aus den italienischen Alpenländern.“
- Kein Gemsrumpf, sondern Steinbocksrumpf (Wappen von Kamecke)
In einigen Fällen ist die Unterscheidung zwischen einer Gemse und einem Bock/Steinbock in Wappen nicht eindeutig. So bezeichnet beispielsweise Johann Siebmacher 1605 eine Figur im Wappen der Lidl von Mayenburg expressis verbis als „Gemß“[siebmacher 3] – in der dazugehörigen Darstellung des Wappens scheint jedoch eher ein „Steinbock“ zu sehen zu sein (andere Autoren bezeichnen dieses Figur nicht als „Gemse“, sondern als „Bock“)[4].
Verbreitung
Gemsen werden häufig in den kommunalen Wappen aus dem Alpenraum dargestellt.
Wappenbilderordnung
- Die Gemse wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) unter der Nr. 5235 aufgenommen.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Hochspringen nach: 1,0 1,1 1,2 1,3 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 86. Tafel 17. Figur 2. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Wappenbeschreibung: „In Blau auf silbernem Felsgestein eine stehende goldene [bis 1967: schwarze] Gemse.“
- ↑ Max von Spießen: Wappenbuch des westfälischen Adels. digital.ub.uni-duesseldorf.de, 2015, S. 96, abgerufen am 5. Oktober 2023 (Düsseldorf, 1903. Mit Zeichnungen von Adolf Matthias Hildebrandt. urn:nbn:de:hbz:061:1-476097).
- ↑ Vgl.: Seite „Lidl von Mayenburg“
. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 5. August 2024, 17:03 UTC. URL: Permanenter Link (Abgerufen: 20. Februar 2025, 10:03 UTC). Zitat:
„Vom Wappen sind mehrere Varianten überliefert (siehe Tiroler Wappen). In allen kommt ein schwarzer Bock in Gold (auf grünem Boden oder Dreiberg) vor.“
Alter Siebmacher
- Johann Siebmacher: New Wapenbuch. Nürnberg, 1605. (HZ: 8 MS 28517 :1 urn:nbn:de:urmel-876d0c57-c5dd-4e46-bc18-de4db6c45eaa3-00006345-0052)
- ↑ Tafel 42 (urn:nbn:de:urmel-876d0c57-c5dd-4e46-bc18-de4db6c45eaa3-00006345-1484):
„Die Fv̈eger v. Fridberg. ¶ Das oͤber voͤr𝔡theil rot / die ¶ zwey kleebletter darinnen ¶ weiß / das andertheil weiß / ¶ 𝔡 Gemß schwartz / Auff dem ¶ voͤrdern helm der fe𝔡busch ¶ schwartz / die bletter darinn ¶ weiß / auff dem andern helm ¶ 𝔡 Gemß auch sch. die Kronē ¶ gelb / die helmdeck rot vnnd ¶ weiß / schwartz vnd weiß.“ - ↑ Tafel 43 (urn:nbn:de:urmel-876d0c57-c5dd-4e46-bc18-de4db6c45eaa3-00006345-1491):
„Die Geitzkofler: Das voͤrder feldt gelb / der ¶ Gemß darin an seiner farb ¶ auff einem steinfarben fel= ¶ sen / das ander feld schw: der ¶ Loͤw darinn gelb / mit einer ¶ weissen kugel / Auff dē helm ¶ ein gelbe Kron / der Gemß ¶ an seiner farb / die fluͤgel ge: ¶ dardurch ein schwar: straß / ¶ die kugeln darinn weiß / die ¶ helmdeck schwartz vnd gelb.“ - ↑ Tafel 43 (urn:nbn:de:urmel-876d0c57-c5dd-4e46-bc18-de4db6c45eaa3-00006345-1491):
„Die Lydl. Das oͤber voͤrder feld gelb / ¶ der Gemß darinn schw: das ¶ ander feld rot vnd weiß ab= ¶ getheilt / Auff dem helm ein ¶ gelbe kron / der voͤrder fluͤgl ¶ schwartz vnd gelb / der hin𝔡 ¶ roth vnd weiß getheilt / die ¶ voͤrder helmdeck schw: vnd ¶ gelb / die hinder rot vnd we:“