Rentier (Wappentier)

Das Rentier (auch Karibu, Ren, fachsprachliche Mehrzahl Rener; lat.: rangifer oder tarandus; frz.: renne; engl.: reindeer, caribou oder ähnlich) ist in der neueren Heraldik eine gemeine Figur; in der Früh-/Blütezeit des Wappenwesens ist diese Figur nicht gebräuchlich.
Darstellung
Das heraldische Figur Ren/Rentier ist der gleichnamigen Säugetiertart (rangifer tarandus) aus der Familie der Hirsche (cervidae) nachempfunden und ist im Allgemeinen durch das Geweih von anderen heraldischen Stirnwaffenträgerfiguren zu unterscheiden (siehe weiter unten im Abschnitt → Rentiergeweih).
Die Wappenfigur Rentier wird in der Normalform rechtssehend dargestellt; in dieser erscheint sie in den Hauptstellungen laufend („in vollem Lauf“), schreitend, stehend und springend, weniger häufig oder gar nicht steigend/aufgerichtet, liegend oder anders (auch ein gesenkter Kopf hat eine Bedeutung: die Rentierfigur wäre dann äsend). In der laufenden Form sollte ein Vorderlauf nach heraldisch rechts, einer nach heraldisch links gerichtet sein; in der springenden müssen die Hinterläufe dicht nebeneinander und die Vorderläufe zu diesen hin eingeknickt erscheinen; in der schreitenden ist gewöhnlich das rechte Vorderbein angehoben. Alle anderen Stellungen richten sich nach den gemeinen heraldischen Regeln für vierbeinige Wappenfiguren.
Bei der Tingierung der Figur ist jede heraldische Farbe möglich, aber die Wappenstifter favorisieren Silber, manchmal auch Gold oder Rot. Die Naturfarbe und andere heraldischen Farben kommen selten oder gar nicht vor. Die Bewehrung der Figur (Geweih, Hufe) und ihre Zunge können anders gefärbt (tingiert) sein, was zu melden ist. In der Normalform erscheint die Figur ohne Gemächt, das, wenn es angezeigt wird, auch andersfarbig hervorgehoben sein kann.
1909: Stehendes Rentier (nach Arthur Charles Fox-Davies)
Schreitendes Rentier (Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen
)
Schreitendes, widersehendes Rentier (Anadyrsky District
)
Laufendes Rentier (Kuusamo
)
Springendes Rentier (Vågå
)
Drei springende Rentiere 2:1 (Porsanger
)
Rentierkopf
Wenn der Kopf des Rentiers alleinstehend im Wappen vorkommt, so kann man dieses Wappen Rentierkopfschild nennen. Grundsätzlich wird eine Rentierkopf nach heraldisch rechts sehend und mit glattem Schnitt, wo er vom Körper abgetrennt wurde, dargestellt. Erscheint ein Rentierkopf im Visier (der Rentierkopf ist ganz nach vorne gekehrt) oder mit anhängendem abgerissenem Halsfell, so ist dies zu melden.
Rentierrumpf
Ein Rentierrumpf (bzw. ein „gestümmeltes“ Rentier, also nur Hals und Kopf, ohne Vorderbeine) oder ein oberhalbes Rentier (zum Beispiel mit zum Sprung gestellten Vorderbeine, aber ohne Hinterbeine) erscheinen im Gegensatz zu einem Rentierkopf (siehe vorstehend) vergleichsweise selten in Wappen.
Aus dem Schildfuß wachsender silberner Rentierrumpf
(Engelnstedt)
Rentiergeweih
Manchmal findet sich das Rentiergeweih (Rentiergestänge) oder eine Rentierstange in einem Wappen als eigenständiges Motiv. Die Rentiergeweihe werden auch mit einem Teil der ornamentierten Hirnschale, dem Grind, dargestellt (was zu melden ist). Die Geweihe sollten stangenförmig, sehr unregelmäßig, asymmetrisch und weit verzweigt aufgerissen werden; die tiefste Sprosse sollte am Ende mit einer kleinen Verbreiterung erscheinen. Diese wird manchmal „Schneeschaufel“ genannt (da man in der Vergangenheit annahm, das Ren räume mit ihr den Schnee beiseite). Die Enden des Rentiergeweihes, also die Zahl der einzelnen Zinken einer Stange (vier-, fünf-, sechs-, acht-, zehnendig etc.) zählt man bei der Wappenbeschreibung gewöhnlich nicht mit auf.
Silbernes Rentiergeweih auf blauem Grund (Eidfjord
)
Fisch mit Rentiergeweih (Inari
)
Unten: Schädel mit Rentiergeweih (Ahrensburg
)
Rentier als Schildhalter
Karibu als Schildhalter (=nordamerikanischer Vertreter der Rentiere Wappen von Nunavut)
Rentier im Oberwappen
Abgrenzung
Eine Verwechslung der Figur „Rentier“ mit anderen geweih- oder horntragenden Wappentieren ist möglich. Eine genaue Abgrenzung ist schwer, insbesondere wenn ein Wappenmotiv im Laufe der Zeit nicht einheitlich, sondern teilweise als Hirsch, als Elch, als Steinbock oder ähnlich aufgerissen wird. Beispielsweise erscheint in den nachstehenden Aufrissen die Figur im Wappen der schwedischen Landschaft Gästrikland sehr unterschiedlich (Wappen Gästriklands
). In Zweifelsfällen sollten Wappenbeschreibungen oder die Wappenführenden hinzugezogen werden, um die Figur zu bestimmen.
- Wappenaufrisse des Wappens der Landschaft Gästrikland
Symbolik
- Außerhalb der Heraldik kann ein Rentiermotiv das Sternbild Rentier
symbolisieren, das nicht zu den 88 von der Internationalen Astronomischen Union (IAU) anerkannten Sternbildern zählt.
Wappenbilderordnung
- Die Figur Rentier wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Säugetiere: Andere Wildtiere unter der Nr. 5214 aufgenommen.
Weblink

Einzelnachweise
- ↑ Hugo Gerard Ströhl: Heraldischer Atlas. Stuttgart 1899. Tafel II. Proben von Territorial-Wappen. Figur 5: „Wappen der schwedischen Landschaft Gestrikland, zum Gefleborg-Län gehörig. Im silbernen mit blauen Kugeln bestreuten Felde, ein schreitendes braunes Renntier. Der Schild ist mit einer rotgefütterten, schwedischen Herzogskrone, aber ohne Haube (vergleiche Tafel XV. Fig. 37) geschmückt.“