Breche (Heraldik)

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In der Frühzeit des Wappenwesens sind Brechefiguren nicht gebräuchlich.

Breche
(Flachsbreche, Hanfbreche ...)
 
faktisch
 
in der Heraldik
(Wappen von BrackeW-Logo.png)

Die Flachsbreche, Hanfbreche oder kurz und unspezifisch die Breche (ahd. brecha; mhd. breche; lateinisch frangibulum[1]; auch Brecht, Brechbank, Brecheisen, Brechmaschine, Brechel, Flachsbrake[2], Bracke, Schneidlade[3] oder ähnlich genannt, in Westfalen als Racke bekannt, in der Schweiz als Rätsche[4]; französisch séran, carde, broye; englisch hemp-break, hempbrake, [hemp]hackle, hemp-bray, flax-br[e]aker oder ähnlich) ist in der Heraldik eine seltene gemeine Figur.

Geschichte

1885: Junge Bäuerinnen mit Flachsbreche (nach Hubert von HerkomerW-Logo.png)

Wann und von wem zum ersten Mal ein Wappen mit der Figur Breche geführt wurde, ist unklar beziehungsweise nicht ausreichend erforscht.

Breche im englischsprachigen Wappenkulturraum

Als Referenz für eine Brechefigur wird im englischsprachigen Wappenkulturraum gemeinhin der Pennon von Master Edmond Bray de Stoke aus dem frühen 16. Jahrhundert angeführt, der sieben goldene „hempbreaks“ mit grünen Löwen zeigt.[5][6] Andere Autoren wie Parker geben als Referenz das Badge oder den Crest der Familie Bray(e) beziehungsweise des Reginald BrayW-Logo en.png (ca. 1440–1503) an.[7][8] Häufig wird in der Literatur betont, dass die englischen Ausdrücke ‚hemp-brake‘ beziehungsweise ‚hemp-bray‘ für die Brechefigur auf den Familiennamen ‚Bray(e)‘ hinweisen. Bray-Brechefiguren, Bray-Initialien, Bray-Wappen etc. sollen übrigens 175 Mal im Kirchenschiff der St. George's ChapelW-Logo.png in Windsor Castle zu sehen sein, da Reginald Bray für dessen Fertigstellung verantwortlich gewesen war.[9]

Breche
(englische Familie Bray[e])
Mayster Edmond Bray de Stoke Dabernun Pennon.jpg
Hemp-breacker Badge Bray 01.jpg
Hemp-breacker Badge Bray 02.jpg
Coat of arms family en Bray 01.jpg
(Pennon von Master Edmond Bray de Stoke, Dabernun; mit sieben Brechen; nach Walden) (Badge;
nach PalliserW-Logo en.png, 1870)
(Badge;
nach Debrett'sW-Logo en.png, 1881)
(Wappen der Familie Bray mit Brechefigur in der Helmzier; nach Viola E. Bray)

Breche im Wappen derer von Habel

ca. 1652: Breche (Stammwappen Habel; nach Epitaph von Georg Daniel von HabelW-Logo.png)

Im deutschsprachig geprägten Wappenkulturraum verweist man gewöhnlich auf das redende Wappen der erloschenen hessischen Adelsfamilie von Habel (Habel, mundartlich für ‚Hebel‘). Für das Habel-Wappen sind spätestens Anfang des 17. Jahrhunderts entsprechende Nachweise vorhanden. Beispielsweise wird im Alten Siebmacher von 1605 das Wappen derer von Habel wie folgt beschrieben:

„von Habel: Ein blouer Schilde / die Brecht oder Habel darinn gelb / Auff dem Helm die Flügel wie im Schildt / die helmdeck blou und gelb.“

Alter Siebmacher (1605-09)[10]

Spener, der als Begründer der wissenschaftlichen Heraldik im deutschsprachigen Wappenkulturraum gilt, bezeichnet die Figur im Wappen derer von Habel im Jahre 1690 mit dem lateinischen Ausdruck frangibulum[1], Meding nennt sie 1788 „eine goldene offene Flachs-Bracke mit vier Schrägfüßen“[2] und Ralf von Retberg spricht sie 1886/87 als Schneidlade[3] an. Rietstap/Rolland beschreiben das Wappen derer von Habel komplett falsch und gehen von einer goldenen Tischfigur aus, in der ein silbernes Messer stecken soll (D'azur à une table d'or soutenue de quatre pieds et un couteau d'argent posé en barre la pointe enfoncée dans la table).

Brecht/Habel
(Wappen der hessischen Familie Habel)
alternative Beschreibung
Coat of arms family de Habel 02.jpg
Coat of arms family de Habel 04.jpg
alternative Beschreibung
1605-09: nach Siebmacher 1861: nach Tyroff 1903-26: Falsch!
(nach Rolland)
2014: nach Zobel

Dass es sich bei der Figur im Wappen derer von Habel um eine Breche handelt, bezeugt der Freiherr Franz Joseph Damian Hugo von Heusenstein bei seinem Ahnenbeweis, da unter seinen Vorfahren auch geborene von Habel sind (zitiert nach Johann Georg Estor, 1745)[11]:

Ungereimtheiten bei der Wappen-Aufschwörung
„(..) das wappen der adelichen familie von Habel ist bey dem N. stammbaum aufgeschworen worden, dergestalt: daß die güldene breche rechter hand stehet, und oben im doppelten schwartzen flug auf dem hem repräsentiert worden; nun aber führet der (herr) probans solches wappen anderst: daher hat der (herr) probans entweder zu documentiere, daß die familie Habel (..) sothanes wappen in der gegenwärtigen stellung führe, oder aber wird derselbige dieses Habelische wappen also abändern und repäsentieren lassen (..) wie es bereits aufgeschworen worden.“

Anwort, um die Ungereimtheiten aufzuklären
„(..) so habe zwar aller angewendeten grossen mühe ohnerachtet nicht ausfindig machen können: daß es jemals eine branche (gemeint ist ‚ein Familienzweig‘ – Anm. der Redaktion) der von Habel gegeben, welche die breche anderst geführet, daher auch billig glaube, daß es entweder ein versehen von den mahlern, oder daß diese branche, welche sich vielleicht von dem hauptgeschlecht dadurch abgetheilet, verlängst gäntzlich ausgestorben und verloschen sey, vielmher kan(n) ich mit einer grossen anzahl alter schränke und kasten, worauf unter andern dieses der von Habel ihr wappen sehr oft gemahlet, ingleichen meiner seel. ... mutter unter den original ehepackten befindliche signet und dann durch das original document sub lit. B. klärlich beweisen: daß diejenige Habel, so ich führe, die breche und den helmzierrath würklich im wappen haben, wie in dem fol. 25. dicti documenti angeführet wird, daß auf dem rittersaal zu Rothenburg in Hessen (..) die wappen der von Habel also gemahlet, wie ich es vorjetzo verbessert vorstelle. Und fol. 26 ist in den personalien meines seel. großvaters der breche, seines adel. geschlechts wappen auch gedacht, welches alles das gemachte dubium verhoffentlich sattsam heben wird.“

– Franz Joseph Damian Hugo von Heusenstein
Breche, gezahnt
(Bergisches Museum)
alternative Beschreibung
(1866; nach John Edwin Cussans)
Breche, ungezahnt
(Museum Schloss Herberstein)
(1690; nach Spener)

Darstellung

Die Wappenfigur Breche ist dem Idealbild des gleichnamigen Holzwerkzeugs nachempfunden (beziehungsweise dem Idealbild einer besonderen Brecheart, zum Beispiel einer Hanfbreche zum Brechen der holzigen Teils der Hanfstängel in kleine Stücke, einer Flachsbreche zum Brechen der Flachsstängel et cetera). In der Realität werden mit Brechen Fasern gelockert, um sie in weiteren Arbeitsschritten leichter entfernen zu können.

Eine Breche besteht gewöhnlich aus einer flachen, beinartigen Basis, auf der sich ein klappbarer Hebel befindet, der je nach Brecheart mit Zähnen oder mit einer Klinge bestückt ist respektive weder das eine, noch das andere besitzt. Eine Breche mit einem klingenförmigen Hebel zeigen beispielsweise die historischen Aufrisse des Wappens derer von Habel; eine Breche mit einem Hebel (Deckel) in gezahnter Form erscheint bei der englischen Familie Bray[e] (→ siehe oben). Die genaue Ausprägung sollte man in einer Wappenbeschreibung stets melden. Ebenfalls anzeigen sollte man, ob eine Brechefigur offen oder geschlossen darzustellen ist. Ob die Brechefigur mit dem Scharnier nach heraldisch rechts oder nach heraldisch links gerichtet ist, ist in der älteren Heraldik unerheblich, erst in der neueren Heraldik wird die Ausrichtung manchmal bedeutsam.

Lineynaya perspektiva.gif
Vorgänge der Flachsbearbeitung
Mit oder ohne Perspektive
Obwohl Wappenfiguren im Wappenschild grundsätzlich flächig (zweidimensional) gestaltet sein sollen, erscheinen Brechefiguren („Schneidladefiguren“) zur besseren Erkennbarkeit, so weit die Quellen zurückreichen, auch im geringen Maße räumlich (dreidimensional), zum Beispiel in KavalierperspektiveW-Logo.png.

„Ganz perspektivisch finden wir ferner das einfachste Geräte gebildet, wie z. B. (..) die Schneidlade der Habel (..)“

Ralf von Retberg (1886/87)[3]

Vorrangig ist, dass sich die stilisierte Darstellung einer Breche im Wappenaufriss der künstlerischen Gesamtharmonie unterordnet -- und nicht einer überholten Anschauung von Perspektive versus Perspektivlosigkeit im Wappenwesen folgt.

Breche versus Rossbremse

1889, nach Gritz­ner: Flachs­breche (?), eher jedoch: Ross­bremse
HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Rossbremse
HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Schafzange

Einige Heraldiker wie Maximilian Gritzner und Walter Leonhard bezeichnen irrigerweise eine schwer deutbare Wappenfigur als Flachsbreche, die nicht oder nur entfernt den faktischen Brechen ähnelt.[13][14] Gritzner versteigt sich sogar soweit, diese von einer Schafzangenfigur abzugrenzen, obwohl es in der Realität gar keine Schafzange gibt:

„(..) wogegen die Flachsbreche (Tafel 30. Figur 61.) und die Hechel Unica sein dürften. Erstere, leicht mit der Schafzange (..) zu verwechseln, ist nur dadurch zu unterscheiden, dass sie keine Zähne hat.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[13]

Tatsächlich deuten heute etliche Autoren dieses Motiv weder als ‚Breche‘, noch als ‚Schafzange‘, sondern als Rossbremsenfigur, die spätestens seit dem 13. Jahrhundert in zig Varianten in Wappen erscheint.[15]

Wappenbilderordnung

  • Die Flachsbreche wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Landwirtschaftliches Gerät, Jagd- und Fischgerät unter der Nr. 9526 aufgenommen.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Flachsbrechen in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikipedia: Breche – (deutsch)

Blason ville fr Garidech (Haute-Garonne).svg Lemma Breche. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).

Einzelnachweise

  1. Hochspringen nach: 1,0 1,1 Philipp Jacob Spener: Insignium theoria: seu operis heraldici pars generalis [..]. Band 1. 1690. S. 367. Tafel 19. (Google)
  2. Hochspringen nach: 2,0 2,1 Christian Friedrich August von Meding: Nachrichten von adelichen Wapen. Band 2. Weißenfels und Leipzig, 1788. S. 218-219. (Google)
  3. Hochspringen nach: 3,0 3,1 3,2 Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 50
  4. Schweizerisches IdiotikonW-Logo.png, Bd. 6, Sp. 1844, Artikel Rätsch II, Bed. 2.
  5. Hempbreak. Internet: mistholme.com, 10. Februar 2014, abgerufen am 4. Juni 2022 (englisch).
  6. Thomas Scott-Ellis, 8. Baron Howard de Walden: Banners Standards and Badges from a Tudor Mansucript in the College of Arms. 1904. S. 199. Digitalisat im Textarchiv – Internet Archive)
  7. John Henry Parker: A Glossary of Terms Used in British Heraldry: With a Chronological Table, Illustrative of Its Rise and Progress. Oxford, 1847. S. 163. (englisch; Google)
  8. Fanny Bury PalliserW-Logo en.png (Mrs. Bury Palliser): Historic Devices, Badges, and War-cries. London, 1870. S. 279-280. (englisch; Google)
  9. Margaret Condon: Profit, Piety and the Professions in Later Medieval England. Hrsg.: Michael Hicks. Alan Sutton, Gloucester, 1990, ISBN 0-86299-643-0, From Caitiff and Villain to Pater Patriae: Reynold Bray and the Profits of Office. (englisch; Digitalisat im Textarchiv – Internet Archive)
  10. Johann Siebmacher: New Wapenbuch : Darinnen deß H. Röm. Reichs Teutscher Nation hoher Potentaten Fürsten, Herren, und Adelspersonen auch anderer Ständt und Stätte Wapen ... beneben ihrer Schilt und Helmkleinoten, Nürnberg, 1605-1609. S. 138 (urn:nbn:de:urmel-876d0c57-c5dd-4e46-bc18-de4db6c45eaa3-00006345-2446)
  11. Johann Georg Estor: Ratio usitata et explorata in demonstrando nobilitatem proavitam insigniaque gentilitia. Resp. Jo. Giul. Gullmann. Frankfurt am Main, 1745. S. 54-60. (Google)
  12. Eintrag zum Wappen von Stamsried in der Datenbank des Hauses der Bayerischen GeschichteW-Logo.png
  13. Hochspringen nach: 13,0 13,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 144. Tafel 30. Figur 61. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
  14. Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7, S. 276, Figur 27. (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).
  15. Vgl. zum Beispiel: François R. Velde: Barnacle, Horse-bray / Broie, Broye. In: www.heraldica.org. Abgerufen am 6. Juni 2022 (englisch, 1995-2003). et al.