Paradiesvogel (Wappentier)
Der Paradiesvogel (frz.: paradisier; engl.: bird-of-paradise) ist im neueren Wappenwesen (Heraldik) ein mehrdeutiger Begriff für ein seltenes Wappentier beziehungsweise eine wenig gebräuchliche gemeine Figur, die in mehreren Varianten vorkommt, die keine oder nur wenige Gemeinsamkeiten haben. In der Frühzeit des Wappenwesens erscheinen Paradiesvögel gewöhnlich nicht in einem Wappen.
Darstellung
Je nachdem, welchem Vorbild das Wappenmotiv „Paradiesvogel“ nachempfunden ist, unterscheidet die Heraldik unter anderem folgende Varianten (die genaue Ausprägung sollte stets in der Wappenbeschreibung erwähnt werden):
- (gemeiner) Paradiesvogel: Erscheint als abgezogene Haut mit Federn eines natürlichen (Paradies-)Vogels (=Balg
)
- natürlicher Paradiesvogel: Erscheint als heraldische Stilisierung eines natürlichen Paradiesvogels
- Gamayun, Sirin, Alkonost o. ä.: Erscheinen als heraldische Stilisierungen von Fabelwesen der russischen Folklore
Gemeiner Paradiesvogel
Die (gemeinen) Paradiesvogel-Figuren (ursprünglich.: „paradisea apoda“ =„fußlose Paradiesvögel“; „avis paradiseus“; mal.: „Manuk dewata“, =„Göttervögel“; port.: „Passaros de Sol“, =„Sonnenvögel“) sind fuß- und knochenlosen Bälgen von Vögeln samt Federn nachempfunden. Die Eingeborenen von Neuguinea und den indonesischen Inseln stellten diese aus erlegten (Paradies-)Vögeln her. Im 16. Jahrhundert fanden die Bälge den Weg nach Europa, wo sie unter anderem mit den Sylphen (mythologischen Naturgeistern) in Verbindung gebracht werden und anschließend Eingang in das Wappenwesen finden.
„Paradiesvogel, in barocken Emblembüchern als Symbol von Leichtigkeit, Gottnähe und Weltferne, zugleich als Mariensymbol aufgefaßt, verdankt seinen Ruf und seinen alten Namen »Paradisea apoda« (fußloser Paradiesvogel) der Gepflogenheit der Eingeborenen von Neuguinea und indonesischer Inseln, den erlegten Vögeln Bälge samt Federn unversehrt abzustreifen und sie so zu räuchern, daß sie ohne Knochen und Füße ihre Form behielten. Auf diese Weise wurden sie verkauft und fanden den Weg nach Europa, wo sie als »Sylphen« (Luftgeister) Aufsehen erregten. Es wurde erzählt, sie ernährten sich nur vom Tau des Himmels (vgl. Phönix), blieben zeitlebens in der Schwebe, seien »rein von Geburt an« und wüßten nichts von den Händeln der Erdenwelt: »Der von dem Paradies benamte Vogel schwebet / dem Himmel nahe stets, die Erde nie berührt« (Hohberg 1675). Auch in naturkundlichen Werken des 18. Jahrhunderts (Buffon 1775) blieb die Fabel von dem ätherischen Göttervogel erhalten, bis im 19. Jahrhundert die zoologische Forschung das geheimnisvoll-absurde Symbol entschleierte.“
Die Balg-Figuren erscheinen im Wappenwesen stets „fußlos“ und „mit angelegten Flügeln“. „Flügellose“ (gemeine) Paradiesvögel oder dieselben mit ausgebreiteten Schwingen sind zu melden.
„Paradiesvogel: kommt u. W. nur im Wappen der (von Schwebs -- Anm. der Redaktion)[2] und Ritter von Rokassowki beide in den Russischen Ostseeprovinzen vor, in beiden Fällen rechtsgekehrt als „fliegend“ mit anliegenden Flügeln aber ohne Beine (weil der Paradiesvogel, der alten Sage nach, keine haben soll). Außerdem „stehend“ auf einer Kanone im Wappen mehrerer Russischer Fürstengeschlechter.“
Die Paradiesvögel auf Kanonen sind an das Wappen von Smolenk angelehnt. Bei Grünenberg (1480) und im Jahre 1570 zeigte es noch einen Adler, der auf dem Rücken eines halben Löwen ohne Vorderteil steht und in dessen Fleisch pickt. Im Laufe der weiteren Geschichte dieses Wappens wurde aus dem Adler ein fußloser Paradiesvogel-Balg und aus dem Löwen eine Kanone, noch später erscheint auf der Kanone ein heraldisch nicht klar umrissenes pfauenartiges Wappentier mit langen Schwanzfedern.
1915: Paradiesvogel
(nach Ivan Bilibin)
Paradiesvogel auf Kanone im Wappen des Hauses Lwow
Wappen der Fürsten Schachowskoi
Natürlicher Paradiesvogel
Die gemeine Figur „natürlicher Paradiesvogel“, die den gleichnamigen Vögeln aus der Familie der (Paradisaeidae) nachempfunden ist, erscheint in der Heraldik erst zwischen 1913 und 1933, initiiert von Dr. Wilhelm Solf, der für „Schutzgebiete“, die dem Reichskolonialamt des Deutschen Kaiserreichs unterstanden, Wappenentwürfe vorlegte, darunter das geplante Wappen für Deutsch-Neuguinea mit einem naturgetreuen („natürlichen“) Paradiesvogel auf einem Zweig. Diese Figur erscheint im Entwurf nur wenig heraldisch stilisiert, was auf die Kritik des heraldischen Vereins Herold stieß. In der Folge ist ein Entwurf mit einem abwärts fliegenden goldenen Paradiesvogels mit Stirn und Schnabel in Schwarz und zwei Federn in Blau überliefert.[4] Das Wappen Papua-Neuguineas, das 1971 im Rahmen eines Preisausschreibens von einem jungen Mädchen gestaltet wurde, zeigt einen natürlichen Paradiesvogel mit breit aufgefächerten Schwanzfedern in Prahlstellung.
Zwischen 1913-33: Paradiesvogel
(geplantes Wappen für Deutsch-Neuguinea)
1971: Wappen Papua-Neuguineas
Damenkappe mit präpariertem Paradiesvogel
(Edwardische Epoche, Pacific Grove Museum of Natural History)
Gamayun/Sirin/Alkonost
Nach der russischen Folklore leben eine Reihe von fantastischen Mischwesen oder Sagengestalten im Paradies oder in der Nähe davon (Vögel mit dem Kopf einer Frau wie Gamayun, Sirin oder Alkonost
). Diese werden umgangssprachlich manchmal als „Paradiesvögel“ bezeichnet und erscheinen so beschrieben teilweise auch als heraldisches Motiv.
Wappenbilderordnung
- Der Paradiesvogel wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Wildvögel unter der Nr. 4886 aufgenommen.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Knaurs Lexikon der Symbole: Paradiesvogel. 1989/1994/1998. Verlag Droemer Knaur. S. 816
- ↑ Anmerkung: Bei Gritzner heißt es: „... von Schwengelm (auf dem Helme) ...“ -- die von Schwengelm befinden sich im Siebmacher von 1898 neben den von Schwebs, führen dort aber nicht den Paradiesvogel im Wappen (vgl. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, III. Band, 11. Abteilung, 1. Teil; Der Adel der Russischen Ostseeprovinzen: Die Ritterschaft; Verfasser: M. Gritzner; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1898). In älteren Quellen erscheint der Paradiesvogel ebenfalls im Wappen derer von Schwelm, nicht im Wappen derer von Schwengelm (vgl. zum Beispiel Wappen derer von Schwebs in: Paul Eduard Damier: Wappenbuch sämmtlicher zur ehstländischen Adelsmatrikel gehöriger Familien. Reval 1837).
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 92
- ↑ Vgl.: Herzfeld, Andreas: Die Wappen- und Flaggenentwürfe für die deutschen Kolonien, in: Der Flaggenkurier Nr. 31. April 2010. Deutsche Gesellschaft für Flaggenkunde.