Seestern (Wappentier)

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In der Frühzeit des Wappenwesens ist eine spezielle Wappenfigur, die eigens zur Darstellung eines Seesterns verwendet wird, nicht gebräuchlich.

Seestern
 
faktisch
(fünfarmiger Seestern)
 
in der Heraldik
(Muster nach WBO, Nr. 3371)

Der Seestern (auch Meerstern, Asteroidea [abgeleitet von griechisch astronStern‘] oder ähnlich genannt; französisch astèrie oder étoile de mer; englisch starfish) ist im Wappenwesen eine gemeine Figur, die weder wohldefiniert noch gebräuchlich ist.

Darstellung

Der Ausdruck „Seestern“ wird von heraldischen Autoren nicht einheitlich verwendet. Grundsätzlich ist zwischen einer Seesternfigur der neueren Heraldik und den sogenannten „falschen Seesternen“ (darunter eine wappentheoretisch-historische Seesternfigur) zu unterscheiden.

Seestern

Drei Seesterne (Wappen Murrins; nach DWR, Nr. 9509/92; eingetragen am 20. Juli 1992)
Seestern im Schildhaupt (Wappen Schunk, nach ADW, Nr. 81243, Eingereicht am 10. Juni 1981)

Die Wappenfigur „Seestern“ ist nicht einem bestimmten oder besonderen natürlichen SeesternW-Logo.png der etwa 1.600 bekannten rezenten Arten nachgebildet. Vielmehr lehnt sich die Figur an ein IdealbildW-Logo.png der gleichnamigen gegebenen biologischen Realtypen an (Figurgrundgestalt ist ein fünfarmiger Seestern). Im Gegensatz zur unten besprochenen ‚wappentheoretischen Seesternfigur‘ und zur Wappenfigur ‚Stern‘ erscheint die Seesternfigur im Wappenwesen gemeinhin nicht mit geometrisch exakt gleichartigen Armen. Statt dessen können die Außenkonturen der Figur unregelmäßig dargestellt sein, womöglich kantig oder anders „zerknittert“ („gewellt“, „geflammt“); auf der Oberfläche der Figur sind oftmals kleine Knoten oder Unebenheiten durch (schwarze) Konturen/Schraffuren angedeutet.[1] Die Wappenfigur Seestern ist selten; es gibt es keine ausdrücklichen heraldischen Vorgaben für das Motiv, außer jene, die für gemeine Figuren allgemein gelten. Die Farbgebung, die Bewehrung, bei mehreren Figuren die Stellung zueinander und so weiter erfolgen nach den heraldischen Regeln. Die genaue Ausprägung und Form der Seesternwappenfigur (Anzahl der Arme, fünfeck-artig, kugelartig, kometenartig et cetera) sind in der Wappenbeschreibung zu ergänzen, wenn sie von heraldischer Bedeutung für ein Wappen oder für die Wappenführenden sind.

„Falsche“ Seesterne

In der heraldischen Literatur gibt es im Zusammenhang mit historischen Wappen etliche Wappenfiguren, die irreführend als „Seesterne“ angesprochen wurden. Insbesondere Wappenfiguren, die in Ausprägung/Form ähnlich wie Seesternfiguren gestaltet sind („fünfstrahliger Stern“, Sternkreuz, facettierter Stern etc.), sollte man grundsätzlich von einer Seesternfigur abgrenzen. Anderenfalls kommt es zu Verwechslungen.

Wappentheoretische Seesternfigur

1889: Seestern (nach Gritzner)

Nach dem Heraldiker Maximilian Gritzner wird eine Seesternfigur mit einer runden Scheibenform mit fünf symmetrischen Strahlen/Spitzen dargestellt, die wolfszahnförmig-gebogen in dieselbe DrehrichtungW-Logo.png gekrümmt sind:

„(..) Figur 97. wird als »Seestern« angesprochen, ist aber wohl Unicum.“

Maximilian Gritzner (1889)[2]
Drei Seesterne 2-über-1 (Wappen Siöstierna, nach Elgenstierna, 1925-36)

Die von Gritzner gezeigte Musterfigur ist so abstrakt gestaltet, dass sie im Grunde nicht als Seesternfigur erkennbar ist. Als Referenzwappen diente Gritzner vermutlich das redende Wappen Sjöstierna/Siöstierna aus dem deutsch-schwedischsprachig geprägten Wappenkulturraum, welches der Heraldiker Christian Samuel Theodor Bernd bereits 1849 als Referenzwappen mit Meer-/Seesternfiguren identifiziert hatte (schwedisch sjöstjärna bedeutet im Deutschen ‚Seestern‘):

„(..) Wirkliche Meer- oder Seesterne sind aber blau die einen silbernen Balken begleitenden 2,1 fünfstrahligen goldenen Tafel 15. Reihe 8. Figur 14. als Namenswappenbild der Sjöstierna (..)“

Sowohl Gritzner als auch Bernd zeigen zur Seesternfigur Motivabbildungen, die nicht dem Idealbild gegebener biologischer Seesterne entsprechen, sondern einem eher geometrischen „Gebilde“ gleichen. Im Gegensatz zu den Wappenaufrissen des Wappens Sjöstierna/Siöstierna mit einer durchbrochenen Seesternfigur (was zu irreführenden Deutungen anderer Wappenbilder führte), sind bei den wappentheoretischen Musterfiguren von Bernd und Gritzner die Innenkreise nicht durchbrochen.

Seestern versus Nesselblume

Der Ausdruck „Seestern“ wird nach Gritzner irreführend für die Figur Nesselblume („Fünfblatt“, französisch quinte-feuille, englisch cinquefoil) verwendet:

„(..) Nesselblumen (Tafel 24. Figur 48.) ... (werden) auch oft irrthümlich als »Seestern« (sic!) blasoniert.“

Maximilian Gritzner (1889)[2]

Vermutlich spielt Gritzners Bonmot auf Bernd an, der die Wappenfiguren in den Wappen Leyden und Livingston irreführend zu „wirkliche Meer- oder Seesternen“ umdeutet, obwohl sie offenkundig andere Bedeutunge haben und auf anderen Vorbildern basieren.

„(..) Wirkliche Meer- oder Seesterne (..) dergleichen auch die drei roten rund ausgebrochenen auf silbernen Balken der Grafen Leyden und die 2,1 gleichen in silbernem Felde der Grafen Levingstown (gemeint ist die schottischstämmige Familie Livingston - Anmerkung der Redaktion) zu sein scheinen.“

Christian Samuel Theodor Bernd (1849)[3]

Seestern versus mit Sternen besetzes Dreieck

Nach Bernd: Angeblich „Meerstern“ (?) genannt (Wappen Geuder von HeroldsbergW-Logo.png, nach Siebmacher, 17. Jhr.)

Bernd seinerseits erwähnt, dass die Figur im Wappen der Geuder von HeroldsbergW-Logo.png fälschlich als ‚Meerstern‘ beschrieben wird.

„Ein Dreieck als körperlicher Keil dargestellt, an jeder Ecke mit einem sechstrahligen Sterne besetzt, hat man – aus welchem Grunde ist nicht zu ersehen – einen Meerstern genannt, wie zum Beispiel in dem Wappen der Geuder von HeroldsbergW-Logo.png (..)“

Seestern versus Wellen-/Flammen-/Sonnenstrahlenschragen

Im Jahre 1996 führen Jürgen Arndt und Werner Seeger in der Wappenbilderordnung das Wappen der Familie Badier, Provence irreführend als Referenzwappen für ein Wappen mit Seesternfigur an.[1] Faktisch zeigen die historischen Badier-Wappenaufrisse keine (fünfarmige) Seesternfigur, sondern ein Schrägkreuz mit besonderen Begrenzungslinien. Beispielsweise erscheint im Wappen des Paul de Badier im Armorial général de France kein Seestern, sondern ein Wellenschragen (im Französischen auch „Flammenschragen“, ‚sautior flamboyant‘ genannt). Arndt/Seeger beziehen sich aber nicht auf das Wappen von Paul de Badier, sondern auf ein Badier-Wappen, in dem vorgeblich in Blau ein goldener „Seestern“ (?) begleitet von einem Mond erscheint,[1] in Wahrheit jedoch ein Schragen dargestellt wird, der aus „vier goldenen Sonnenstrahlen“ besteht („d’azur au sautoir composé de quatre rayons de soleil d’or, cantonné en chef d’un croissant d’argent“)[4].

Wappenbilderordnung

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Hochspringen nach: 1,0 1,1 1,2 Vgl. Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter) mit Wappenskizzen von Lothar Müller-Westphal: Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - Wappenbilder. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). 2., ergänzte und berichtigte Auflage. Band I. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1996, ISBN 3-87947-110-X, S. 136–137. Tafel 36. Figur 3371. (447 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
  2. Hochspringen nach: 2,0 2,1 Maximilian Gritzner J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie. Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 109. Tafel 24. Figur 48. und S. 111. Tafel 24. Figur 97. Reprint on Demand. Universitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
  3. Hochspringen nach: 3,0 3,1 3,2 Bernd, Christian Samuel Theodor: Die Hauptstücke der Wappenwissenschaft: Die allgemeine Wappenwissenschaft in Lehre und Anwendung: nach ihren Grundsätzen in Europas Ländern aus den Quellen dargestellt, und mit Tausenden von Beispielen wirklicher Wappen aus jenen Ländern (..). Band 2. Bonn, 1849. (Google). S. 234. Tafel 15. Reihe 8. Figur 14.
  4. (de) Badier de Roquebrune. Anciennes familles de Provence. In: genobco.free.fr. Abgerufen am 25. Februar 2023 (französisch).