Papierheraldik

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Papierheraldik (auch Tote Heraldik genannt[1]) ist im weitesten Sinn eine Bezeichnung für das gesamte Wappenwesen, das mit der „Verfallszeit der Heraldik“ beginnt.

Die Bezeichnung leitet sich aus dem Umstand ab, daß etwa ab dem 16. Jahrhundert der direkte Bezug zum ursprünglichen heraldischen Kriegswesen, Hofleben und Turnierwesen verloren ging. Wappen sind ab dieser Zeit nicht mehr im Zusammenhang mit aktiven Kriegswesen („Kriegsheraldik“) und den historisch wirklich im Kampf verwendeten Waffen (also im wesentlichen mit den Schutzwaffen Helm, Rüstung und Schild) entworfen und geführt. Sie stehen nicht mehr in der Tradition des aktiven Turnierwesens („Turnierheraldik“), sondern existieren gewissermaßen nur „auf dem Papier“ und „für das Papier“ .

In einem engeren, meist abwertenden Sinn wird unter Papierheraldik jenes Wappenwesen verstanden, das anachronistische Elemente in das Wappenwesen einbringt (zum Beispiel in dem es „auf dem Papier“ Wappen mit Gemeinen Figuren, Heroldsbildern, Helm- und Schildformen, Helmkleinoden und so weiter gestaltet, die für die Früh- und Blütezeit der Heraldik nachweislich nicht existierten).

Teilweise gebraucht man den Begriff Papierheraldik nur für das Wappenwesen des 17., 18. und 19. Jahrhunderts, als Wappen weitgehend losgelöst vom ursprünglichen historisch-heraldischen Zweck im Sinne des jeweiligen Stils einer Epoche verändert wurden und „auf Papier“ verbrieft als künstlerisch-/modisches Accessoires, als Ehren-/Rechtszeichen oder ähnliches dienten.

„Die heraldischen Darstellungen des 17., 18. und 19. Jahrhunderts zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie jeglichen realen Bezug zu den Schutz- und Trutzwaffen des 13. und 14. Jahrhunderts verloren hatten. Die in Mode gekommenen Schild- und Helmformen existierten nur auf dem Papier. In Realität haben sie nie existiert. Barock, Rokoko, Klassizismus und Empire werden deshalb auch als die „Zeit der Papierheraldik“ charakterisiert (Leonhard, Seite 92, 302).“

Richard Dietz (2010)[2]

Abgrenzung

Diplomheraldik / Briefheraldik

Allgemein oder außerhalb der Heraldik werden die Ausdrücke „Diplom-“ und Briefheraldik“ (Diplom = Wappendiplom = Wappenbrief) manchmal mißverständlich und synonym zum Begriff „Papierheraldik“ verwendet. Streng genommen liegt jedoch bei den Ausdrücken Diplom-/Briefheraldik auf der einen und Papierheraldik auf der anderen Seite keine strikte Bedeutungsgleicheit vor.

Mit Diplom-/Briefheraldik wird in einem speziellen Sinn nur jene Heraldik umschrieben, die im Zusammenhang mit der Verleihung/Beurkundung von Wappen mittels Wappenbriefen zusammenhängt. Diese beginnt aber schon mit Kaiser Ludwig IV., dem BayerW-Logo.png, der 1338 das älteste bekannte Exemplar eines Wappenbriefes ausstellte[1] - und nicht erst mit dem 16. Jahrhundert wie die Papierheraldik.

Kanzleiheraldik

Umgangssprachlich oder außerhalb der Heraldik wird die Bezeichnung Kanzleiheraldik manchmal mißverständlich und synonym mit Papierheraldik verwendet.

Kanzleiheraldik/Papierheraldik, die von den staatlichen Kanzleien beeinflußte Heraldik, als diese nicht mehr auf wirklich geführten Waffen beruhte.“

Brockhaus Enzyklopädie (1976)[3]

Streng genommen liegt jedoch beim Paar Kanzleiheralidk-Papierheraldik keine strikte Bedeutungsgleicheit vor. Der Begriff Papierheraldik umfaßt nicht nur die den staatlichen Kanzleien beeinflußte Heraldik, sondern auch kulturelle und stilistische Aspekte einer Heraldik jenseits der Beeinflußung durch Kanzleien.

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Kanzleiheraldik

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 193 und 414.
  2. Dietz, Richard: Nürnberger Wappenbuch. Faksimile von: Sammlung von Wappen verschiedener Civil-Staende von Nürnberg und anderen Orten. Anno 1783. epubli 2010. Seite 9.
  3. Brockhaus Enzyklopädie in zwanzig Bänden. Band 9. 1976.