Kleestängel
Im Wappenwesen bezeichnen die Ausdrücke
- Brustmond (auch Brustsichel, Brustspange, kurz Spange, Sichel oder ähnlich genannt; frz.: croisant; engl.: crescent)
- Kleestängel (auch „Kleestengel [im Flügel]“, „Kleebogen“, „Kleeblattbogen“ oder ähnlich genannt; im 16. Jahrhundert zum Beispiel von Georg Rüxner als „Strich“ bezeichnet; frz.: demi-cercle trèflé; engl.: demi-circle trefly)
spezielle Nebenmotive/-figuren/-elemente (Beiwerk oder Kleinodien), mit denen manchmal heraldische Hauptmotive (zum Beispiel ein Adler, ein Adlerflügel, ein Flug oder ähnliches) in einer bestimmten Art und Weise belegt sind, so dass beide zusammen eine Gestaltungseinheit bilden; sie sind in Wappen in Anlehnung an das an Kampfschilden oder am Helmschmuck angebrachte originäre „Spangenwerk“[1] gestaltet.
Geschichte
Nach Heraldikern des 19. und 20. Jahrhunderts meint „Spangenwerk“ die Gesamtheit jener ursprünglichen, auf den Schild oder den Helm genagelten oder genieteten Metallbeschläge/-spangen, die dazu dienten
- die Festigkeit des Schildes zu erhöhen[1]
- die aus Stoff oder Leder ausgeschnittenen Schildfiguren auf dem Kampfschild zu befestigen[1][2]
- Figuren wie Adlern, sofern sie als Helmschmuck erschienen, eine größere Festigkeit (zum Beispiel der Flügel) zu verleihen[3]
„Beide, Sichel und Kleestängel, verdanken ihren Ursprung wahrscheinlich halbmondförmigen Metallspangen zur Befestigung plastischer oder ausgeschnittener Adler auf der Schildfläche.“
„(..) die halbmondförmigen Spangen mit kleeblattartigen Enden im Flügel (..) dienten ursprünglich dazu, den Adlern, sofern sie als Helmschmuck erschienen, eine grössere Festigkeit der Flügel zu verleihen. Aehnlichen Zweck hatte der Brustmond (..)“
Abgrenzung
Im Wappenwesen des 15. Jahrhunderts (und vermutlich auch davor) gibt es keine überlieferten, konsistenten heraldische Regeln, ob und wie Kleestängel- und Brustmond-Motive aufzureißen sind. So unterschiedlich, wie man Familiennamen schreibt (da es keine Orthographie gibt), so unterschiedlich wurden Kleestängel- und Brustmond-Motive im Wappen eines Geschlechts gestaltet oder sogar weggelassen. Beispielsweise finden sich im Wappen der von Gültlingen im 15. Jahrhundert folgende Ausprägungen der Motive, die sich je nach Wappenbuch unterscheiden und bislang nicht etwa verschiedenen Zweigen des Geschlechts zugeordnet werden könnten (Auswahl):
- Im Schild: jeweils mit einer goldenen Brustspange ("Brustsichel", "Brustmond") belegt;
- Auf dem Helm: mit Kleestengel belegt, dessen Spitzen mit Kleeblättern geschlossen sind.
(nach dem Berliner Wappenbuch)
- Im Schild: jeweils mit Kleestengel belegt, dessen Spitzen mit Kleeblättern geschlossen sind.
- Auf dem Helm: mit Kleestengel belegt, dessen Spitzen mit Kleeblättern geschlossen sind.
(nach dem Wernigeroder Wappenbuch)
- mit verkrüppelten Kleestengeln (ohne Kleeblätter) belegt;
- die Spitzen an den oberen Theil der Saxen herangeführt
(nach dem Scheibler'schen Wappenbuch)
Erst die neuere Heraldik beginnt (ab ca. 1850), die einzelnen Ausprägungen der Motive strenger voneinander abzugrenzen. Wappenbeschreibungen der Neuzeit bestimmen gewöhnlich, ob ein Adler in einem Wappen beispielsweise mit einem Kleestängel, mit einem Brustmond oder gar nicht belegt ist und überlassen dies nicht mehr der künstlerischen Freiheit.
Schildbefestigungtheorien
Gustav Adelbert Seyler erhebt gegen die sogenannten „Schildbefestigungtheorien“, zu deren Apologeten er Ralph von Retberg, Adolf Matthias Hildebrandt und Carl Mayer von Mayerfels zählt, Einwände:
„Die Schildbefestigungtheorie, welche eine grosse Gruppe von Wappenbildern ohne Zuthun des Menschengeistes aus Stoffen durch Zufall entstehen lässt, ist die Anwendung der materialistischen Weltanschauung auf das Wappenwesen.“
Seylers Kritik gegen die Schildbefestigungtheorien („Entgeistigungs-Theorien“) richtet sich hauptsächlich gegen Ansätze, die allen Heroldsbildern ein Entstehen aus Schildbeschlägen nahelegen und ihnen jeglichen sinnbildlich-semantischen Ursprung absprechen. Dass Spangenwerke als funktionale, teilweise auch verzierende Konstruktionsteile eines Kampf-/Turnierschilds oder eines Helms ursprünglich keine kennzeichnenden bzw. symbolisch-inhaltlich prägenden Bedeutungen besaßen, ist evident. Dass die Menschen in der Früh-/Blütezeit des Wappenwesens einen besonderen symbolischen Gehalt in gewöhnliche Metallbeschläge/-spangen hineinlegten, mit denen man etwas an einem Schild oder einen Helm befestigte oder stabiliserte, ist zwar denkbar, in Ausnahmefällen vielleicht geschehen, aber als Massenphänomen weder beweis-, noch belegbar.
Heraldische Symbolik („Crescent“)
Ganz anders verhält es sich bei gestalterischen Elementen in einem Wappen, wo der Brustmond oder der Kleestengel im Laufe der Jahhunderte zumindest regional zu einem festen Bestandteil und Unterscheidungsmerkmal einer Wappenfigur werden konnten. Beispielsweise fungiert in der englischsprachig-geprägten Heraldik der „Brust-“ oder „liegende Mond“ (engl.: „Crescent“), der seine Herkunft vermutlich ebenfalls der Anlehnung an Metallbeschlägen/-spangen verdankt, als Kennzeichen für den zweiten Sohn einer Familie (zweite Art des Bezeichens). Obwohl Brustmond und Kleestengel „typisch“ für Wappen aus dem deutschsprachig-geprägten Kulturkreis sind[6], dienen sie hier ursprünglich lediglich als Gestaltungselemente einer Wappenfigur ohne tiefere Bedeutung und sind erst seit der neueren Heraldik zu melden. Der symbolische Gehalt englischer Crescent-Motive ist grundsätzlich von der kontinental-europäischen Anwendung der Brustmond-/Kleestängel-Motive zu unterscheiden.
Darstellung
Brustmond
Der heraldische Brustmond ist in seiner einfachsten Form einer vollständigen Metallspange in Form einer ungesichteten Mondsichel nachempfunden, „welche über die Adlerbrust hinweg sich bis an die Flügelansätze (Saxen)“[3] hinzieht. Das Gestaltungselement wird gewöhnlich silbern dargestellt (andere Tinkturen sind zu melden). Alle Besonderheiten (mit Kleeblättern besetzte Spitzen, ein mittig hochgezogenes Kreuz in der Höhlung, gestürzt ausgezogene Kreuze oder Kleeblätter) sind anzuzeigen. Auch Brustmonde, die nicht bis in die Adlerschwingenspitzen reichen, sondern die Adler lediglich halskleinodartig zieren, sollten in Wappenbeschreibungen besonders erwähnt werden („auf Adlerbrust gestümmelter Brustmond“ oder ähnlich).
Kleestängel
Im Gegensatz zum Brustmond enden die sogenannten „Kleestengel“ stets an der Flügelspitze in Form eines dreiblättrigen Kleeblatts; zudem belegen sie in der Normalform keine Adlerbrust, sondern sind „schmale, mehr oder weniger gekrümmte (..) Streifen von besonderer Farbe auf den Flügeln von Adlern“[6]. Sie sind primär jenem Spangenwerk nachempfunden, mit welchem man seitlich exponierte „Flügel“ im Schild befestigte oder mit welchen man in der Helmzier „Flügeln“ Stabilität verlieh.
„Zur Befestigung der Flügel am Helm, aber auch zur grösseren Haltbarkeit derselben brachte man halbmondförmige metallene Spangen in ihnen an (Tafel 31. Figur 81.) und diese sind es, welche man mit Recht „Kleestängel“ nennt, wohl deshalb, weil das ornamentierte obere Ende derselben, welches in der Saze festgenietet war, gewöhnlich die Form eines Kleeblattes hatte. Dass dies Kleeblatt bis dicht an den oberen Theil der Saxen herangeführt werden muss, daher nicht in der Mitte des Flügels liegen darf, ist nach dem oben angegebenen Zwecke, selbstredend. Dass man ferner nicht sagen darf, der Flügel sei mit Kleestängeln „besteckt“, sondern dass hierfür der Ausdruck „belegt“ der einzig richtige ist, haben wir bereits oben bei den Kurzausdrücken gesehen.“
Oft werden sie paarig, rechts und links an Adlerbrust anliegend bis in die Flügelspitzen dargestellt.
Kleestängel ohne Kleeblattspitzen
Sind die Flügel einer Adler- oder anderen Figur mit Kleestängel belegt, deren Spitzen nicht mit Kleeblättern geschlossen sind, sollte dies gemeldet werden („Kleestängel ohne Kleeblattspitze“; „verkrüppelter Kleestängel“). Beispielsweise sind die vier Adler im Wappen der von Gültlingen im Scheiblerschen Wappenbuch entsprechend gestaltet. Auch in modernen Logos, Gebrauchsgrafiken et cetera erscheinen Kleestengel manchmal über eine heraldische Stililsierung hinaus ohne Kleeblattspitzen gestaltet. Beispielsweise werden die Kleestengel im Dienstsiegel mit Bundesadler ohne Kleeblätter an den Spitzen dargestellt.
Brustmond/Kleestengel mit Flügeln und anderen Figuren
Die Figuren Kleestengel und Brustmond erscheinen nicht nur in Verbindung mit einer vollständigen Adlerfigur, sondern auch mit anderen Wappenfiguren oder mit Figuren, die nach dem Prinzip pars pro toto („ein Teil [steht] für das Ganze“) gestaltet sind (zum Beispiel: „Adlerflügel, mit Kleestengel belegt“).
Querliegender roter Adlerflügel, der vorne mit einem nach links gekehrten Adlerkopf, hinten mit einem Kleeblatt geschlossen ist, mit goldener Mondsichel belegt, (Heinsheim
)
Adlerflügel, Saxen abwärts, nach der Figur mit Kleestengel belegt, dessen Spitzen mit Kleeblättern geschlossen sind (Lomnice
)
Gestürtzter Kleestengel, dessen Spitzen mit Kleeblättern geschlossen, aus der Figur sieben Federn wachsend (Velké Mezirící
)
Verwendung
Die Kleestängel sind in den Adlern der brandenburgischen Wappen, auf Wappenadlern der Askanier und der Hohenzollern (Preußen), im Tiroler Adler und zahlreichen anderen Wappentieren zu finden. Beispiel für die Brustspange ist der Schlesische Adler.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Retberg-Wettbergen, Ralph von: Kleine Bemerkungen zur Wappenkunde. In: Heraldisch-genealogische Zeitschrift des Vereins Adler in Wien. III. Jahrgang 1873. Nummer 9.
- ↑ Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 228.ISBN 978-3-411-02149-9
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 89, 158
- ↑ Leonhard, Walter: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung, Bechtermünz-Verlag 2003. ISBN 3-8289-0768-7 S. 202
- ↑ Seyler, Gustav Adelbert: Geschichte der Heraldik. Wappenwesen, Wappenkunst, Wappenwissenschaft. In: J. Siebmachers großes Wappenbuch. Band A. Repgrografischer Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1885-1889 (1890). Neustadt an der Aisch. 1970. S. 762 ff.
- ↑ 6,0 6,1 Galbreath, D. L.; Jéquier Léon: Handbuch der Heraldik. Augsburg 1990. S. 130