Libro del conocimiento

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Libro del conocimiento
Titel-Illustration der „Z-Hand­schrift“ mit dem Wappen von Kastilien-León und dem Banda de Castilla von Alfons XI. el Justiciero
Titel-Illustration der „Z-Hand­schrift“
mit dem Wappen von Kastilien-León und
dem Banda de Castilla von Alfons XI. el JusticieroW-Logo.png
Originalausgabe
Originaltitel Libro del conosçimiento
Genre Wappen-/Flaggenbuch, Reisebericht
Autor unbekannt
Originalsprache Kastilisch
Erscheinungsjahr Original ca. 1385;
  • Vier Abschriften 15. Jhr.
Standort Abschriften:
Inventarnummer Abschriften:
  • BSB Cod.hisp. 150
  • MS. 1997
  • MS. 9055
  • MS. 1890

Libro del conocimiento (auch Libro del conosçimiento; dt.: Buch des Wissens aller Königreiche, Buch des Wissens über alle Herrschaften, Buch über alle Königreiche oder ähnlich; engl.: Book of Knowledge of All KingdomsW-Logo en.png oder Book of All Kingdoms) ist ein anonymes kastilisches Wappen-/Flaggenbuch aus dem 14. Jahrhundert. Der komplette Titel des Werks lautet:

„Libro del conosçimiento de todos los reynos y tierras y señoríos que son por el mundo, et de las señales et armas que han cada tierra y señorío por sy y de los reyes y señores que los proueen“

Form und Inhalt

Der literarischen Form nach ist das Werk ein fiktiver autobiographischer ReiseberichtW-Logo.png eines kastilischen Bettelmönchs. Die Reisebeschreibung enthält Informationen über die gewählte Route durch die ganze bekannte und imaginäre Welt der damaligen Zeit (von den westlichsten Atlantikinseln, durch Europa, Asien, Afrika und die Arktis), „(..) wobei die einzelnen Herrschaften oft mit ihren Wappen oder (häufiger) Fahnen vorgestellt werden“[1]. Die einzige ausdrückliche Information, die der Leser über den anonymen Autor bekommt, ist, dass er in Kastilien im Jahre 1305 geboren wurde. Die vorgestellte Reiseroute folgt nicht einer geographisch logischen Reihenfolge, sondern springt in einer Form von einem Ort zum nächsten, die für eine authentisch reisende Person nicht durchführbar ist. Bei der Schilderung der Reise durch Afrika und andere entfernte Länder enthält das Buch ernsthafte geographische Fehler; der Weg durch Asien folgt überwiegend den bekannten bekannten Geschichten über die Kriegszüge von Alexander dem Großen. Die Nachrichten über die vorgeblich besuchten Königreiche und Territorien sind knapp bemessen; sie beschränken sich auf geographische, wappenkundliche und dynastische Informationen und enthalten keine lebendige oder beschreibende Details. Rezensenten des Werks vermuten daher, dass der anonyme Autor das Wappenbuch mit Hilfe von enzyklopädischen PortolankartenW-Logo.png der damaligen Zeit verfaßt hat. Die geographischen Angaben passen beispielsweise gut zur Portolankarte des Angelino DulcertW-Logo.png (1339 erstellt), zum Medici AtlasW-Logo.png (auf 1351 datiert, vermutlich aber aus dem Jahre 1370 stammend) oder zum Katalanischen WeltatlasW-Logo.png (um 1375), der auch Fahnen zeigt. Neben den fiktiven und fehlerhaften Elementen baute der Autor narrative Stilmittel in das Werk ein, vermutlich um beim Leser den Eindruck zu verstärken, dass er tatsächlich die entsprechenden Orte bereist hat oder um seine Arbeit insgesamt glaubhaft zu machen. Dazu zählen beispielsweise:

  • Verwendung der 1. Person Singular im Text
  • Authentische historische Bezüge, die anderen Informationen Wahrhaftigkeit verleihen sollen
  • Erwähnung von zeitgenössischen kulturellen „Erscheinungen“
  • Versuche, die Erfahrungen der Reise dem öffentlichem kastillischen Zeitgeist anzunähern

Abschriften

Detail einer Seite des Libro mit dem Wappen von AragonW-Logo en.png (Abschrift „Z“)

Das verlorengegangene Original wird auf ca. 1385 datiert (nach früheren Rezensionen auf 1350). In der Literatur werden gewöhnlich vier überlieferte jüngere Abschriften aus dem späten 15. Jahrhundert zitiert; der Verbleib von mindestens zwei (und vielleicht noch mehr) früheren Kopien, die sich nach kritischer Begutachtung der vorhandenen Exemplare erschließen, ist Stand 2017 nicht bekannt.

Ms.-Nr. Kürzel Standort Internet Bemerkung
BSB Cod.hisp. 150 Z Bayerische Staatsbibliothek München Digitalisat Text nicht komplett
MS. 1997 S Biblioteca Nacional Madrid Digitalisat Kompletter Text, 94 Folien, 108 Wappen
MS. 9055 N Biblioteca Nacional Madrid Digitalisat Text nicht komplett, 110 Wappen, einfache Typografie (Verzicht auf VersalienW-Logo.png zur Hervorhebung von Abschnittsanfängen etc.)
MS. 1890 R Biblioteca Universitaria Salamanca Kompletter Text, einfachste Form der Wappen im Vergleich zu den anderen Handschriften

Wirkungsgeschichte

1402: Eroberungszug von Jean de Béthencourt
(Illustration eines der Schiffe der Expedition)

Praktische Anwendung

Nach Rolker wurde das Werk Libro del conocimiento durchaus praktisch angewendet:

„Aus einem keineswegs fiktiven Bericht über eine Expedition des normannischen Adeligen Jean de BéthencourtW-Logo.png wissen wir, dass dieser 1402 den Libro nutzte, als er den umfassenden Plan hegte, die Kanaren für die kastilische Krone zu erobern, einen Kreuzzug zu führen, die Westküste Afrikas zu christianisieren, dort Gold und außerdem noch den Priesterkönig Johannes zu finden. Ein ambitioniertes Projekt, das vielleicht sogar vom Libro inspiriert war, denn hier finden sich alle Informationen, die man für eine solche brauchen konnte, einschließlich realistischer oder zumindest realistisch klingender praktischer Informationen zur Reiseplanung. Und immerhin, rund die Hälfte der kanarischen Inseln hat er erobert.“

Christof Rolker (2015)[1]

Interdependenzen

Stand 2017 finden sich in der Rezeption viele Hinweise auf die Bedeutung und die Wechselwirkungen für das östliche beziehungsweise westliche Wappen-/Flaggenwesen der in den vier Handschriften angeführten frühen „Wappen-/Fahnen-Belege“; eine dezidierte, vollständige, kritisch-wissenschaftliche Untersuchung, die auch Belege anderer Wappenbücher/-rollen wie dem Armorial Wijnbergen vergleichend berücksichtigt, steht bislang noch aus. Wegweisend ist in diesem Zusammenhang der Beitrag Atlanti simbolici dello spazio politico. I Portolani e il «Libro del Conocimiento de todos los Reinos» von Alessandro Savorelli, der zumindest die Werke von Richental, Grünenberg und andere Quellen bei seiner Untersuchung mit einbezieht.[2]

Interessante Aspekte ergeben sich durch den Umstand, dass die einzelnen Handschriften typografisch, heraldisch-vexiologisch und gestalterisch unterschiedliche Schwerpunkte setzen und teilweise stark voneinander abweichen. Es fällt auf, dass in den vier Handschriften bestimmten Ländern, Herrschaften, Personen et cetera nicht immer die gleichen Wappen/Fahnen zu- oder nicht zugesprochen sind, sondern manchmal mehrere und teilweise sehr unterschiedliche. Beispielsweise werden dem Priesterkönig JohannesW-Logo.png in den Abschriften „S“, „N“, „R“ und „Z“ im Detail verschieden ausgearbeitete „Motive“ zugeordnet.

Drei unterschiedliche Wap­pen­/Fah­nen für den Priesterkönig Johannes
(exemplarische Neuaufrisse von 1912; nach dem Libro del conocimiento; bei Nancy F. Marino genauere Hs.-Zuordnungen)

„Der Priesterkönig Johannes wird (wie es im 14. Jahrhundert zunehmend geschah) in Afrika und nicht mehr in Asien verortet und mit den christlichen Reichen Nubien und Äthiopien in Verbindung gebracht; das irdische Paradies wird südlich von Äthiopien verortet. Auch er führt heraldische Zeichen, wie es sich für eine so enigmatische Gestalt gehört, ist die Sache aber kompliziert: In den vier Handschriften werden ihm vier verschiedene Wappen bzw. Fahnen zugesprochen, drei davon sind oben (bzw. nebenstehend -- Anmerkung der Redaktion) zu sehen.“

Christof Rolker (2015)[1]

Stellt man die Motive der einzelnen Handschriften gegenüber, zeigt sich, dass vexillologische von heraldischen Motiven abzugrenzen sind. Beispielsweise erscheinen in der Handschrift Ms 1997 alle Motive, die mit der einen oder anderen Figur auf die byzantische/konstantinische Insignie „Tetragrammkreuz“ verweisen, stets als Fahnen/Flaggen/Banner; in der Handschrift Ms 9055 sind die entsprechenden Zeichen aber komplett als Wappenschild und teilweise mit anderen gemeinen Figuren darin aufgerissen. Inwieweit mit den unterschiedlichen Darstellungsweisen besondere Konnotation einhergehen, bestimmte Bedeutungen und Assoziationen zum Ausdruck gebracht werden, auf historische, politische, hoheitliche, kulturelle, stilistische oder andere Umstände abgehoben wird, ist nach dem Kenntnisstand der Redaktion 2017 nicht endgültig untersucht. Unklar ist, ob das verschollene Original aus dem 14. und die Handschriften aus dem 15. Jahrhundert als „Wappenbücher“ oder eher als frühe „Fahnen-/Flaggen-/Banner-Bücher“ zu deuten sind -- oder ob sich in den Werken eine Mischform manifestiert, die den Übergang zwischen Wappen- und Flaggen-/Fahnen-/Banner-Wesen dokumentiert.

Herrschaft/Ort Ms 1997 („S“) Ms 9055 („N“)
Castelle[A 1] Ms 1997 Castelle.jpg Ms 9055 Castelle.jpg
Konstantinopel W-Logo.png Ms 1997 Konstantinople.jpg Ms 9055 Konstantinopel.jpg
Lodomago[A 2] Ms 1997 Lodomaga.jpg Ms 9055 Lodomago.jpg
MeseberW-Logo.png[A 3] Ms 1997 Meseber.jpg Ms 9055 Meseber
Palolimen[A 4] Ms 1997 Palolimen.jpg Ms 9055 Palolimen.jpg
SalonicoW-Logo.png Ms 1997 Salonico.jpg Ms 9055 Salonico.jpg

Literatur

Editionen

  • Marcos Jiménez de la EspadaCoat of Arms of Spain klein.png: Boletín de la Sociedad Geográfica de Madrid, tomo II. Madrid. 1877. Nachdruck und neue vorläufige Präsentation von Francisco López EstradaCoat of Arms of Spain klein.png. Barcelona, El Albir. 1980.
  • Markham, Sir Clements RobertW-Logo.png (Übersetzer und Hrsg.): Book of knowledge of all the kingdoms, lands, and lordships that are in the world, and the arms and devices of each land and lordship, or of the kings and lords who possess them / written by a spanish franciscan in the middle of the XIV. century / published for the first time with notes by Marcus Jiménez de la Espada in 1877. London. 1912. Digitalisat; basiert auf den Handschriften S, N, R (außer der Münchner Handschrift, Z)
  • Lacarra, María Jesús; Lacarra Ducay, María del CarmenCoat of Arms of Spain klein.png; Montaner, AlbertoCoat of Arms of Spain klein.png (Herausgeber): „Libro del Conosçimiento de todos los Regnos et Tierras et Señorios que son por el Mundo, et de las señales et armas que han“. Edición facsimilar, transcripción, estudio y notas del Manuscrito Z de la Bayerische Staatsbibliothek, de Munich [Cod. Hisp. 150] procedente de la „Alacena de Zurita“. Zaragoza. 1999. Institución „Fernando el Católico“Coat of Arms of Spain klein.png (CSIC)-Excma. Diputación Provincial

Sekundärliteratur

  • Marino, Nancy F.: El libro del conoscimiento de todos los reinos (=­The book of knowledge of all kingdoms). Arizona Center for Medieval and Renaissance Studies. Volume 198. 1999. Digitalisat auf Archive.org
  • Riquer, Martí/Martín deW-Logo.png: La heráldica en el Libro del Conoscimiento y el problema de su datación. In: Dicenda: Cuadernos de Filología Hispánica. Nr. 6. 1987. Seiten 313-319 (Digitalisat).
  • National Geographic MagazineW-Logo.png: Heroic Flags of the Middle Ages: the geography of the earth as known in Medieval times, symbolied in 96 historic standards. In: National Geographic Magazine, vol. 32. 1917. Englische Zusammenfassung des Libro del Conoscimiento: Seiten 388–399

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Christof Rolker: „Die Welt als Wappen und Vorstellung: Der Libro del conosçimiento“. In: Heraldica nova. Medieval Heraldry in social and cultural-historical perspectives. Internet: Blog auf Hypotheses.org. Veröffentlicht: 09. Februar 2015. Abgerufen: 22. Juni 2017.
  2. Vgl.: Savorelli, Alessandro: Atlanti simbolici dello spazio politico. I Portolani e il «Libro del Conocimiento de todos los Reinos». In: armas e troféus. Revista de História, Heráldica, Genealogia e Arte. Serie: IX. Band: XVII. 2015. S. 105 bis 140.

Anmerkungen

  1. Die Provinz SinopW-Logo.png (ein wenig westlich entlang der gleichen Küste) hatte als Hauptstadt eine Stadt namens Casteli (Jimenez de la Espada 189-90).
  2. Markham verortet dieses Königreich nordwestlich von Konstantinopel, am Schwarzen Meer.
  3. Nessebar [nɛˈsɛbɐr, auch eingedeutscht ˈnɛsɛbar], auch Nesebar, bulgarisch Несебър ist eine Stadt in Bulgarien in der Nähe von Burgas an der südlichen bulgarischen Schwarzmeerküste.
  4. Einige Autoren identifizieren dieses Königreich als „(..) »Sakaria, in der Nähe von Scutari«. Mit dem Ausdruck „Scutari“ können viele neuere Orte bezeichnet sein, aber sicherlich ist damit Scutari/ÜsküdarW-Logo.png in der Nord-Zentral-Türkei gemeint“ (in der Antike hieß der Ort ChrysopolisW-Logo.png, griech.: Χρυσόπολις, „goldene Stadt“, später Escutari, Skutarion oder Scutari, wovon sich der heutige Name Üsküdar ableitet). „Sakaria/Sakarya ist der Name eines Flusses und einer Provinz in der modernen Türkei.“
    Freie Übertragung aus: António Martins. „Palolimen“ (Sakaria). Internet: Turkey in the "Book of All Kingdoms" (late 14th century). Letzte Änderung: 2013-12-30. Abgerufen: 25. Juni 2017.

Weblinks

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